SWR-Nachtcafé mit
Wieland Backes »Horror
Krebs – wie damit umgehen?«
Stuttgarter Stadtanzeiger, 11.04.2006
Wechselbad der Gefühle
Landkreis Göppingen. (ar).
Gerade ging die ARD-Themenwoche Krebs »Leben – was
sonst?« zu Ende. Vom 3. bis 9. April liefen ebenso in allen
dritten Programmen Dokumentationen, Erfahrungsberichte, wurden
diverse Therapiemethoden vorgestellt. Auch die Redaktion des
SWR-»NACHTCAFÉ« machte die Krankheit samt
ihren Folgen – zum einen für die Betroffenen selbst,
zum anderen für deren Angehörige und Freunde – zum
Schwerpunkt ihrer aktuellsten Sendung. Unter dem Titel »Horror
Krebs – wie damit umgehen?« hatten sieben Gäste
die Gelegenheit, ihre Sichtweise vor einem breiten Publikum darzustellen.
Doch vorher galt es, die notwendigen Vorbereitungen für
die Aufzeichnung der Sendung durchzuführen. Für einen
Außenstehenden mag da zwar alles recht chaotisch wirken,
aber dennoch ist keine Hektik zu spüren. »Noch nicht,
aber spätestens 20 Minuten vor der Sendung werden alle leicht
nervös«, so die Bemerkung eines Teammitglieds.
Nachfolgend die ausführliche Meldung:
Zur ARD-Themenwoche: Die Aufzeichnung
im »NACHTCAFÉ« unter
dem Titel:»Horror Krebs - wie damit umgehen?«
Die Krankheit als Chance
sehen
Betroffene. Angehörige. Freunde.
Von Adriana Rossi, April 2006
Landkreis Göppingen. Scheinwerfer,
Kameras, Kabel, dazu – so scheint es – jede Menge Menschen
mit Headsets auf den Ohren und Scripts in den Händen. Die
letzten Vorbereitungen für die Sendung »NACHTCAFÉ«,
die immer freitags um 22 Uhr im Südwest Fernsehen (SWR) zu
sehen ist. Backstage werden die Gäste begrüßt,
gibt es noch Gelegenheit für eine kurze Erfrischung. Schließlich
ist jeder an und auf seinem Platz. Wieland Backes betritt das Podium
und erklärt den Zuschauern in gewohnt lockerer Weise, wie
der weitere Ablauf des Abends erfolgen wird. Der promovierte Chemiker
scherzt. Das ist gut, lachen entspannt. Und so stellt sich wider
Erwarten selbst kurz vor der Aufzeichnung kein Stress ein. Zumindest äußerlich
bleiben alle Beteiligten ruhig und agieren weiterhin routiniert – was
sich insbesondere bei einem so emotionalen Thema wie diesem als
sehr hilfreich erweist: »Horror Krebs – wie damit umgehen?« Der
erste Gast – Backes begrüßt ihn an der Bar – ist
Simon Schlattmann. Bei ihm wurde als Elfjähriger ein Tumor
im rechten Oberschenkel entdeckt. Zwar amputierten sie das gesamte
Bein, dennoch machten die Ärzte den Eltern keine großen
Hoffnungen. Insgesamt drei Mal galt er bereits als »Todgeweihter«.
Doch er hatte sich dem nicht ausgeliefert. Im Gegenteil: Der heute
27-Jährige studiert Medizin – eine weitere Kampfansage
an den Krebs.
Nun geht es in die Gesprächsrunde, es ist ein Wechselbad der
Gefühle: Karin Baumhöver verlor ihre Brust, aber sie
gewann ihre Lebensqualität zurück, indem sie alle vorherigen
seelischen Belastungen über Bord warf. Jetzt entwirft sie
schmucke Hüte für Chemo-Patientinnen. Marianne Stahl
wiederum heiratete ihren damaligen Freund Wolfram nur wenige Tage,
nachdem bei ihm eine besonders aggressive Form von Leukämie
festgestellt wurde. Trotzdem. Deswegen. Eine Knochenmarkspende
aus der Familie rettete schließlich sein Leben. »Heute
sind wir noch enger verbunden.« Markus Schuster war gerade
zum dritten Mal Vater geworden, als sein mittlerer Sohn erkrankte
und schließlich verstarb. Noch immer ist er ergriffen, wenn
er erzählt, wie der kleine David sein Lachen nie verlor und
seine Eltern zu trösten suchte. Seitdem sind elf Jahre vergangen. »Doch
der Schmerz hat nie aufgehört.« Um ihn zu ertragen,
haben Schuster und seine Frau einen Förderverein zur Krebsforschung
ins Leben gerufen. Henriette Kaiser begleitete ihre Freundin Katja
bis zum Tod. »Sie wollte sogar, dass ich einen Film über
sie mache.« Allerdings hatte es einige Jahre gedauert, bis
die Autorin sich in der Lage fühlte, das Material zu sichten.
Aber sie wird sich damit befassen, denn sie setzt sich auch für
die Enttabuisierung des Todes ein. »Niemand sollte allein
in einem Hospiz sterben müssen.« Professor Kurt Zänker
zog sich aus der onkologischen Schulmedizin zurück und ging
in die Forschung. Sein Schwerpunkt hier: die Ganzheitlichkeit.
Inwieweit beeinflusst die Psyche – oder vielmehr die Seele
das Entstehen von Krebs? »Ein schlechter Arzt, der seinem
Patienten nicht auch zuhört.« Nüchterner sieht
Professor Jörn Treuner die Ursachen von Krebs. Der Onkologe
nutzt seine Zeit im Ruhestand nun, sich aktiv am Aufbau des Kinderkrebszentrums
in Kairo zu beteiligen. Seine Hoffnung ist die Zeit. »Während
man vor 20 Jahren nur rund 20 Prozent der Kinder heilen konnte,
liegt heute die Quote bei 80 Prozent.«
Und im Nu sind die 90 Minuten vergangen. Sie waren wertvoll. Denn
was diese Gäste ihren Mitmenschen mit auf den Weg geben ist:
Trotz allen Schmerzes wird die Krankheit auch als Chance, ja im
Nachhinein zum Teil sogar als Bereicherung angesehen. Und Backes
verstand es hervorragend, sensibel und zurückhaltend zu moderieren
und die Geschichten seiner Gäste für sich wirken zu lassen.
Weitere Infos: www.swr.de/nachtcafe.
(ca. 4.980 Anschläge)
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Wieland Backes moderierte zurückhaltend,
und ließ einfach die Geschichten seiner Gäste wirken.
Fotos: Thomas Oettle
Marianne Stahl spricht mit
Wieland Backes.
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